Selfies sind keine neue Erfindung...

... denn bereits um 1900, als die ersten Kameras halbwegs transportabel wurden, stellten sich Photographen vor die eigene Linse. Die war deutlich mehr als 50cm von der Nase entfernt, verzerrte nicht bis ins Groteske und gegrinst wurde keinesfalls, denn es war ein seriöses und privilegiertes Unterfangen, dass gut vorbereitet und geplant werden musste. Ohne Stativ und drahtgebundenen Selbstauslöser ging nichts.

Zu Beginn waren oft Landschaften der Hintergrund - eine "Ich-war-da-Haltung", die sich durch die Geschichte der Selbstportraits zieht und auch als Beleg mit Beweiskraft fungierte. War Reinhold Messner tatsächlich auf dem Mount Everest? Sein Selfie auf dem höchsten Punkt der Erde lässt keine Zweifel aufkommen. Aber auch als Kunstform gewannen Selbstportraits an Bedeutung. Was den vielen Malern recht und billig war, gelang Photographen mit der neuen Technik geradezu mühelos. Man inzenierte sich selbst in der Weise, wie man sich selbst gerne sieht oder gesehen werden möchte. 

Gelegentlich teste ich neue Lichtsetups an mir selbst. Probieren, Optimieren, Beischleifen. Lektion gelernt, Blitzlicher und Hintergrund weggeräumt, Bilder vom Rechner gelöscht. Diesmal dachte ich mir, ziehe ich's bis zum fertigen Photo durch - mit der Herangehensweise der Altvorderen: Kein unmotiviertes Lächeln, sondern Wahrung einer räumlichen und emotionalen Distanz mit einer gewissen Ernsthaftigkeit in der Haltung.

Frank_Stefan_Kimmel_Selfie